Afghanistan, Chak-e-Wardak Hospital Projekt - Eine Erzählung von Karla Schefter


1. Entwicklungshilfe in Afghanistan:
In unserem Projekt Chak-e-Wardak Hospital steht Menschlichkeit, Menschenwürde und Nächstenliebe im Mittelpunkt. Die Beharrlichkeit der Projektleitung unter Karla Schefter steht für Tapferkeit und zeugt von einer Willenskraft, Beschwerden aller Art zu ertragen. Allen Herausforderungen zum Trotz war es möglich ein Krankenhaus in der afghanischen Provinz aufzubauen und über 25 Jahre aufrecht zu erhalten. 
Chak-e-Wardak Hospital stellt ein Lichtstrahl dar, der in die Dunkelheit der leidenden Provinzen und seiner an den Rändern der Hoffnungslosigkeit lebenden Menschen fällt. 
Das Chak-e-Wardak Hospital steht modellhaft dafür, wie Entwicklungshilfe in dem so hoffnungslos anmutenden Land funktionieren kann; über Einfühlung, Hilfsbereitschaft, über Konsequenz und selbstverständlich über Bildung. Das ist der Schlüssel für eine dauerhaft und nachhaltige Entwicklung zum Frieden und wirtschaftlichen Fortschritt. Es geht vor allem um Vertrauen, zusammen mit der Kenntnis und dem Verständnis für die Landeskultur, die zentralen Kräfte und ihre Wechselwirkung; darauf ruht jene funktionierende Hilfe.  

2. Afghanistan: 

'Über jeden Berg gibt es einen Weg.' Afghanisches Sprichwort
Afghanistan, ein Land des Unglücks, ist nicht nur zerstört in seinen Strukturen und Kulturerbe, sondern auch in Sitten und Moral. Jahrelange Kriege unterspülen die alten Ordnungen und Gesellschaftsstrukturen. Der Krieg ist dem Land von aussen aufgezwungen und aus dem Ausland immer weiter genährt worden, bis fast alles verbrannte. Seitdem ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt. Krieg zerstörte das Land weitgehend. Die militärischen Auseinandersetzungen dauern seit 40 Jahren an und Afghanistans Wirtschaft bricht mehr und mehr darunter zusammen. 40% Arbeitslosigkeit und eine niedrige Lebenserwartung sind nur wenige, vieler Indikatoren einer gelähmten Wirtschaft. Jede vierte Frau in Afghanistan ist Witwe und 16 von 100 Kindern sterben im ersten Lebensjahr. Über die Hälfte der Bevölkerung in Afghanistan sind Analphabeten, da die Intelligenz ausser Landes flieht. Darüber hinaus sind Regierung und Verwaltung bis heute instabil.
Das staatliche Gesundheitswesen ist nur bedingt funktionstüchtig, da im Land kaum medizinisches Fachpersonal vorhanden ist. Ein Drittel der Bevölkerung (ca. 7 Millionen) ist ausser Landes geflohen und nur ein kleiner Teil davon kehrte bisher zurück. Gesundheit gehört zu den grössten gesellschaftlichen Herausforderungen in Afghanistan. Für das Projekt Chak-e-Wardak ist es wichtig, Entwicklungshilfe mit und für die Gesellschaft zu praktizieren, um die Akzeptanz progressiver Entwicklungsschritte zu steigern. Das Entwicklungsdreieck Gesundheit, Bildung und Frieden ist dabei ein unabdingbares Gerüst zur zukunftsorientierten und nachhaltigen Entwicklung.

3. Hintergrund: 
Im Jahr 1989 verlassen die sowjetischen Truppen Afghanistan. Das damalige Deutsch-Afghanische Komitee (DAK) beschliesst mit finanzieller Hilfe der EU in Chak-e-Wardak (ca. 65km südwestlich von Kabul) ein Krankenhaus zu errichten. Das Komitee hatte schon während der sowjetischen Besatzungszeit medizinische Einsätze in der Region durchgeführt. Der Standort für das Krankenhaus in Chak ist in unmittelbarer Nähe und im Schutz eines von Siemens gebauten Wasserkraftwerk.  Bis heute ist das Kraftwerk noch nie angegriffen worden. Damit bietet das um 1938 erbauten Kraftwerk offensichtlich Schutz vor militärischen Auseinandersetzungen. Ausserdem sind das Wasser des Chak Flusses und das gute Hochlandklima (2400m über Seehöhe) wichtige Pluspunkte des Standorts.

Karla Schefter, eine ehemalige OP Schwester der Städtischen Kliniken in Dortmund, die für das Deutsch Afghanische Komitee in Sadda und Khost tätig war, bekommt den Auftrag zusammen mit zwei Ärzten nach Chak zu fahren, um dort als leitende Schwester und Ausbilderin zu arbeiten. Karla Schefter ist die einzige Europäerin vor Ort seit 25 Jahren. Zunächst richtet man zwei Räume im Kraftwerk provisorisch als Ambulanz ein. Es wird mit äusserst beschränkten und primitiven Mitteln operiert und gearbeitet. Im Juli 1989 wird der Bauplatz für das Krankenhaus festgelegt. Nachdem sowohl die örtliche Schura (Gemeinderat) zugestimmt und die EU Finanzierungszusagen gegeben hatte, kann mit dem Bau des ersten Gebäudes begonnen werden. Nach vielen unausweichlichen Hindernissen wie z.B. organisatorische Streitigkeiten und Korruption, verzögert sich die Fertigstellung des Neubaus.  Im Juni 1991 wird das Gebäude eingerichtet und bezogen. Karla Schefter kommt während der Wintermonate nach Deutschland, um dort Spenden zu sammeln. Das Krankenhaus ist das einzig funktionierende Krankenhaus für eine halbe Millionen Menschen in der Provinz Wardak.
Im Januar 1992 bittet das Deutsch Afghanische Komitee Karla Schefter erneut nach Chak zu gehen, diesmal als Projektleiterin. Sie findet sich wieder in ihrem geliebten Afghanistan - doch nicht für lange. Im Dezember 1992 wird das Hospital geschlossen, weil der Fördervertrag mit der EU ausgelaufen ist. Kurz darauf löst sich das Deutsch Afghanische Komitee auf, da keine Fördermittel mehr vorhanden sind. Eine treue Restbelegschaft des afghanischen Personals bleibt jedoch in Chak und arbeitet unentgeldlich weiter, um das Krankenhaus vor Raub und Missbrauch zu schützen. Karla Schefter nutzt ihren Aufenthalt in Deutschland, um einige befreundete Ärzte zur Gründung eines Unterstützungsvereins zu bewegen und Geld für die Weiterarbeit zu spenden; es kommt zu der Gründung des Komitees zur Förderung medizinischer und humanitärer Hilfe in Afghanistan C.P.H.A.
4. C.P.H.A Geschichte: 
Karla Schefter kehrt im Jahr 1993 mit bescheidenen 30.000 DM nach Chak zurück. Ihr gelingt es mit einem Minimum an Personal und Aufwand das Krankenhaus ein volles Jahr über Wasser zu halten. 1994 stimmt die EU einem neuen, zweijährigen Finanzierungsvertrag zu. Zwischenzeitlich interessiert sich die französische Organisation MRCA, die in Peshawar und Hyatabad Krankenhäuser betreibt, für das Chak-e-Wardak Hospital. Der Finanzierungsvertrag für Chak-e-Wardak wird letztendlich mit beiden Parteien abgeschlossen. Karla Schefter vertritt als Projektleiterin CPHA und ist für die praktische Durchführung vor Ort zuständig.
Im Juli 1995 beginnt der Bau des Frauen und Kinder Traktes mit 20 Betten. Die Finanzierung übernimmt die GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit). Mit der Fertigstellung des neuen Traktes verdoppelt Chak-e-Wardak Hospital die Betten-Kapazität. Die EU, das Auswärtige Amt (AA) und USAID fördern das Projekt finanziell von 1998 bis 2000. Die Deutsche Botschaft in Islamabad spendet eine neue Küche, eine Bäckerei und eine Verbrennungsanlage für medizinische Abfälle. Mit Zuschüssen von der Stadt Dortmund werden mehrere Lagerräume errichtet und alle Gebäude mit Metalldächern aus verzinktem Blech versehen. Das Elektrosystem wird komplett erneuert und ein Trinkwasserbrunnen mit Reservoir gebaut. Im Jahr 2000 bis 2002 wird die Betten-Kapazität auf 60 aufgestockt. Im Jahr 2001 wird der Neubau zweier Gästehäuser und ein neues Belegschaftsheim vollendet. Im Jahr 2002 wird der Frauentrakt erweitert und zehn einfache Lehmhäuser für das permanente medizinische Personal errichtet. Zur Sicherheit wird eine Schutzmauer um das Gelände gebaut.
Das Krankenhaus wird 2005 bis 2006 komplett renoviert. Ständige Renovierungsmassnahmen sichern den guten Allgemeinzustand der Gebäude und Einrichtungen; Röntgen-, Ultraschall-, EKG-, Geräte komplettieren die medizinische Ausrüstung. 2011 beschafft das Krankenhaus ein neues leistungsfähiges Röntgengerät. Derzeit verfügt das 60 Betten Hospital über eine Belegschaft von 77 Personen. Unter den acht Ärzten ist eine Ärztin. Der Fuhrpark umfasst derzeit vier Fahrzeuge. Die Büroausstattung wird durch neue Computer und Drucker aktualisiert. Drei Dieselgeneratoren sorgen für kontinuierliche Stromversorgung. Zusätzlich investiert Chak-e-Wardak Hospital in Solartechnik zur Strom- und Heisswasserversorgung. Die im Krankenhaus untergebrachte Impfstation wird kurzzeitig von dem Schwedischen Komitee für Afghanistan (SCA) unterstützt. Die Station erweitert zu einem regionalen Impfzentrum mit kleiner Belegschaft. Zusätzlich errichtet Karla Schefter ein Ausbildungszentrum speziell für Frauen in Chak. Die Ausbildung von Frauen zu Krankenschwestern, Hebammen, Physiotherapeutinnen und Mutter/Kind Gesundheitserzieherinnen intensiviert sich über die Jahre. Zuwendungen erfolgen durch das Päpstliche Kindermissionswerk, Die Sternsinger, Deutsches Medikamentenhilfswerk Action Medeo, Service Clubs, engagierte Schulprojekte, kirchliche Organisationen und Firmen.
Vor allem durch treue private Spender werden bis heute ein Grossteil der laufenden Projektkosten gedeckt. Zu Beginn der statistischen Erfassung (1994) liegt die Zahl der Behandlungen bei 14.500. Im Jahr 2013 sind es über 84.500 Behandlungen. Im Laufe der Zeit (bis 2014) werden im Chak-e-Wardak Hospital über eine Millionen Patienten medizinisch versorgt. Davon sind rund 10% stationär behandelte Patienten. 74% davon sind Frauen und Kinder. Zusätzlich werden ca. 8000 Personen geimpft, davon ebenfalls überwiegend Frauen und Kinder. Das Ergebnis ist einmalig für Afghanistan.

5. Chak-e-Wardak Hospital Prinzipien: 
Finanzierung: das Chak-e-Wardak Hospital unterliegt der peniblen und streng kontrollierten Rechnungsführung von Karla Schefter und dem Vorstand des Komitees. Seit den Anfängen wird das Projekt mit geringsten Verwaltungskosten (unter 7% der Gesamtkosten) unterhalten. Das Projekt ist zu 100% spendenfinanziert. Davon wird 75% des Spendenaufkommens durch Privatpersonen getragen. Die restlichen 25% werden durch Service Clubs, Schulen, Firmen, Kirchen und Initiativen gefördert. Die Personalkosten sind sehr gering, da fast ausschliesslich Afghanen oder ehrenamtliches Personal das Projekt umsetzen.

Allgemeine Prinzipien: die Finanzhilfen unterliegen den Grundsätzen der Transparenz und der Gleichbehandlung. Es gilt ausserdem ein strenges Kumulierungsverbot und Rückwirkungsverbot nach dem Grundsatz des Gewinn Verbots. Alle Kosten sind identifizierbar und kontrollierbar, in der Buchführung erfasst, im Finanzplan ausgewiesen und entsprechen dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Gemeinnützigkeit.

Auszeichnungen und Ehrungen von Karla Schefter: 

1993 Bundesverdienstkreuz am Bande
2001 Human Rights & Nursing Award
2001 Charity Bambi
2002 Eiserner Reinoldus Dortmund
2004 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
2006 Malalai Orden Afghanistan
2007 Ehrennadel der Stadt Dortmund
2009 Deutscher Pflegepreis

C.P.H.A. Komitee zur Förderung medizinischer und humanitärer Hilfe in Afghanistan e.V.
Auf Initiative von Karla Schefter und weiteren fünf Gründungsmitgliedern wird das Komitee 1993 gegründet (eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr.4336). Derzeit besteht das Komitee aus ausschliesslich ehrenamtlichen Mitarbeitern und ist berechtigt zur Ausstellung von Spendenquittungen. Der Wirtschaftsprüfbericht bestätigt uneingeschränkte Testierung.  Das Komitee organisiert medizinische und humanitäre Hilfe in Afghanistan ohne Einschränkung von politischen Ansichten, Religion oder ethnischer Zugehörigkeit.
Hilfe kann in Form von privater Spenden, Firmenspenden, öffentlichen Fördermitteln sowie Patenschaften erfolgen.
Die Ziele des Komitees sind vorwiegend, Karla Schefter als Projektleiterin und ihr Team vor Ort zu unterstützen. Das Komitee sichert die finanzielle Basis und nutzt Karla Schefters professionelle Erfahrungen und kulturelles Wissen über Afghanistan.

Komitee zur Förderung medizinischer und humanitärer Hilfe in Afghanistan C.P.H.A.
Spendenkontakt: 
kontakt@chak-hospital.org
www.chak-hospital.org

C.P.H.A. Spendenkonto
Sparkasse Dortmund
IBAN: DE7044051990181000090
BIC: DORTDE33


Ein Einblick in die Entwicklungshilfe in Aghanistan


6. Aller Anfang ist schwer: 
Die folgenden Ausführungen zeigen auf, wie das Chak-e-Wardak Hospital in 25 Jahren mit ausschliesslich Afghanen bis heute Schritt für Schritt mit den vorhandenen Möglichkeiten in der Provinz aufgebaut ist:
Karla Schefter lebt das Leben der Afghanen in der Provinz. Zeitweise gibt es tagelang keine Elektrizität. Solange es die Sicherheitssituation zulässt, verbringt sie jährlich neun Monate am Stück in Chak. Sie hat kein Haus und auch kein Büro dort. Zeitweise ist sie die einzige Frau unter Männern und teilt sich ein marodes Muschaheddin Lehmhaus. Erst nach ein paar Jahren wohnt sie in einem kleinen Anbau mit eigenem Zimmer und Waschplatz. Die Toilette ist ausserhalb und wird geteilt mit dem Rest der Belegschaft und es gibt auch keine Duschen. Gewaschen wird sich mit Schröpf-bechern aus dem Eimer. 1996 bezieht Karla Schefter ihr ein kleines ein-Zimmer Lehmhaus. Dort gibt es einen Waschplatz und Heizungskesser, der warmes Wasser spendet wenn der Generator läuft. Karla Schefter durchleidet mit den Afghanen die Kriegszeiten und fünf Regierungswechsel. An Wochenenden hält sie sich in traditionellen Häusern auf, um den afghanischen Alltag zu erleben. Sie lernt die afghanische Mentalität und Traditionen kennen wie z.B. Heirat, Geburt und islamische Opferfeste. In ausschliesslich afghanischer Begleitung bereist sie ganz Afghanistan. Jede Provinz ist anders von wilder Schönheit und grandioser Landschaft. Karla Schefter gewinnt in ihrer Zeit besondere Einblicke und gewinnt Vertrautheit und Verbundenheit zu Afghanistan.
Das Chak-e-Wardak Hospital fängt 1989 an zu arbeiten. in dem stillgelegten Siemens Wasserkraftwerk sind zwei kleine Behandlungsräume eingerichtet. Unter diesen Umständen kann man nur erste Hilfe leisten. In der Dunkelheit spenden Taschenlampen und Laternen Licht. Wenn Verletzte per LKW ankommen, werden sie auf dem Fussboden untergebracht. Die Turbinen im Wasserkraftwerk trennen Frauen und Männer voneinander. 1994 nach der Fertigstellung der Bauarbeiten, gibt es 20 Betten, eine OP und eine Röntgen Abteilung. Ein Generator sorgt für die Stromerzeugung.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Kriegssituation und daraus resultierenden Wirtschaftskrise, ist Afghanistan ein äusserst schwieriges Umfeld für ein auf Nachhaltigkeit beruhendes Projekt. Das ist auch der Grund warum das Projekt Chak-e-Wardak Hospital bis heute zu 95% abhängig von der Finanzierung und Spendenkontinuität aus Deutschland ist.



7. Politischer Kontext 1989 bis 2001: 
Als die Sowjets im Februar 1989 aufgeben, bricht in Afghanistan der Bürgerkrieg aus. Die Hauptfront ist nur 35km entfernt zwischen Chak und Kabul als die Muschaheddin gegen Najibullah kämpfen, der von den Sowjets ins Amt befördert war. 1992 wird Najibullah gestürzt und die Muschaheddin bekämpfen sich gegeneinander. Schwere Machtkämpfe brechen aus, als Hekmatiar, ein islamischer Extremist, an der Macht ist. In dieser Zeit wird die Hauptstadt Kabul zu 80% zerstört. Hekmatiar wird von Masud abgelöst. Beide können das Land nicht regieren. Es kommt ständig zu Ausschreitungen und neuen Machtkämpfen. Ende 1994 macht sich die extrem islamistische Taliban Bewegung aus Kandahar auf den Weg nach Kabul. 1995 erreichen die Taliban Chak. Aus der Provinz Wardak greifen sie Kabul an. Im September 1996 erobern die Taliban Kabul und marschieren weiter nach Kunduz. Den Norden Afghanistan's kann die Taliban nicht unter ihre Kontrolle bringen. Dennoch regiert die faschistische Bewegung der Taliban das Land von 1996 bis 2001. In dieser Zeit dürfen Frauen nicht arbeiten, studieren oder in die Schule gehen. Es wird lediglich im medizinischen Bereich eine Ausnahme gemacht: Ärztinnen und Krankenschwestern arbeiten weiterhin aber unter vollkommener Unterwürfigkeit. Es herrscht absolutes Musikverbot und Bart- und Burkazwang.
Während die Frauen unter den Sowjets und Najibullah insbesondere in Kabul und Herat nicht verhüllt waren, unterliegen sie während der Talibanzeit dem absoluten Burkazwang und sind der Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die Talibanzeit bedeuted für Afghanistan Rückschritt: jeder Regierungswechsel über die Jahre, geht einher mit Flüchtlingswellen ins Ausland und es kommt zu unzähligen Binnenvertriebenen. Da es keinen regulären Schul- und Universitätsbetrieb gibt, verlassen die Qualifizierten und Studierten das Land. Über die Jahre hinweg, blutet Afghanistan völlig aus. Ein Schul und Qualifizierungsangebot gibt zur Talibanzeit nur in Pakistan und Iran. Es verbleiben lediglich vereinzelt Fachkräfte in Afghanistan. Ende 2001 stürzt die Talibanregierung und wird von der Karzai Regierung abgelöst. In der Talibanzeit siedeln die UN, die EU und die internationalen NGOs von Kabul nach Peshawar und Islamabad über. Nur noch sehr wenige Hilfsorganisationen sind in Kabul gegenwärtig. Bis 2002 ist die deutsche Botschaft in Pakistan auch für Afghanistan zuständig.

8. Entwicklung und Versorgung: 
In dem Chak-e-Wardak Hospital wird mit lokalen Ressourcen und Arbeitskräften gearbeitet. Sämtliche Gebäude sind vorrangig  mit Materialien aus der Wardak Provinz gebaut und von Handwerkern aus Chak montiert worden. Es gibt in der afghanischen Provinz kaum Elektrizität und keine Kräne, um Baumaterialien zu heben; um schwere Teile zu bewegen, heben bis zu 40 Männer die Baumaterialien auf Pappelbaumstämmen. Man steht vor der grossen Herausforderung alles von Hand aufzubauen. Bis 2002 ist es auch nicht möglich Fertigteile wie Türen und Fensterrahmen aus Kabul zu besorgen. Für die Ausstattung wird alles von den Handwerkern vor Ort gebaut.

Medizinische Geräte: Von 1994 bis 2003 war es möglich medizinische Geräte wie z.B. Röntgen- und Anästhesiegeräte aus Pakistan zu beschaffen. Seit 2003 besorgt das Krankenhaus medizinische Geräte aus Kabul. Das ist ein wichtiger Fortschritt in Hinblick auf technische Einweisung, Wartung, Reparaturen und um nötige Ersatzteile sicherzustellen.
Elektrizität: Über die Jahre versucht man ständig das Siemens Wasserkraftwerk zu reaktivieren. Aufgrund von Geldmangel und Angriffen der Taliban, gelingt dies bis heute nicht. Stattdessen bezieht das Krankenhaus Elektrizität von einem Stromgenerator. Die neu angeschafften Solarpanelen Spenden genug Strom für Licht, heisses Wasser und für die Kühlkette.
Lebensmittelversorgung: Von 1989 bis 1992 kocht man auf offenem Feuer. Dann ersetzt eine neue, funktionstüchtige und bis heute noch bestehende Küche, die alte vorübergehende Kochinstallation. Heute kocht das Küchenteam täglich für 300 bis 500 Personen. Abends werden die Patienten gezählt, um am nächsten Tag entsprechend Essen zu verteilen. Der Verbrauch und Bestand wird monatlich festgehalten und die Datensammlung aufbereitet. Das Verwaltungsteam erstellt von den Daten eine halbjährliche Prognose der Verpflegungsmaterialien, um die Grosseinkäufe zu tätigen wenn Karla Schefter in Afghanistan ist.
Kosten: Versorgung der Patienten und Mitarbeiter wird durch die eigene traditionelle Bäckerei und Küche sichergestellt. Chak-e-Wardak bietet ausserdem eine betriebsinterne Schule für die Kinder der Mitarbeiter und Patienten.
Bei Anmeldung absolviert jeder Patient eine einführenden Gesundheitsaufklärung. Da es sich um ein humanitäres und gemeinnütziges Projekt handelt, wird jeder Patient umsonst stationär aufgenommen und behandelt. Dafür erwartet das Krankenhaus, dass begleitende Familienmitglieder bei anfallenden Arbeiten mithelfen wie z.B bei der Reinigung der Krankenzimmer und beim be- und entladen.
Um Stromkosten zu sparen, installiert das Komitee eine Solaranlage.
Karla Schefter setzt auf das Multifunktionsprinzip, um Personalkosten einzusparen: sie und die Mitarbeiter beteiligen sich an allen anfallenden Arbeiten. Im Chak-e-Wardak Hospital ist die Krankenschwester gleichzeitig auch Hebamme. Der ärztliche Direktor hängt Gardinen auf, die Bäcker bauen den traditionellen Tandor Ofen und das Waschehepaar näht die Bezüge für die Sitz- und Liegematten (Dujaks). Die Betten und Nachtschränke aus rostfreien Stahl bezieht das Krankenhaus aus einer Ausbildungsstätte in Ghazni. Das Personal bildet sich nach Einstellung immer weiter, um das Multifunktionsprinzip weiter auszubauen. Um die laufenden Kosten zu decken, verkauft die hauseigene Apotheke Medikamente zu 50% des Marktwertes an die Patienten. Auf diese Weise entwickelt sich Chak-e-Wardak Hospital alljährlich weiter.
Die wichtigsten Abteilungen im Chak-e-Wardak Krankenhaus sind die Wundversorgung, Mutter und Kind spezifische Gesundheitsversorgung, Physiotherapie, das Labor, die Apotheke (zugleich auch medizinisches Depot), die Operationsabteilung, die Zahnklinik und das Impfzentrum.
Die häufigsten Behandlungsfälle in Chak sind Verletzungen (Kriegs- und Minenverletzung), Verbrennungen, Gynäkologische Fälle sowie normale und Risikoschwangerschaften, Tuberkulose, Typhus, Malaria, Atemwegserkrankungen, Unterernährung, Anämie, Rheumatismus, Wurmkrankheiten, Hirnschläge, Durchfallerkrankungen und Infektionen (vor allem bei Kindern).

9. Kapazitäten und Kompetenzen:
Ein renommiertes deutsches Zentrum in Peshawar bietet Ausbildungen für Bauleiter, Techniker und Elektriker speziell für Afghanen an. Einige Chak Mitarbeiter absolvieren in Pakistan Training- und Ausbildungskurse. Medizinische Qualifikationskurse und Ausbildungen finden zur Talibanzeit nur noch in Pakistan statt.

Karla Schefter kontaktiert weiterhin ununterbrochen internationale Organisationen und Botschaften, um ihre Ideen für das Krankenhaus zu finanzieren. Für das Frauen und Kinderkrankenhaus stellt Karla Schefter direkten Kontakt zu der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) in Eschborn bei Frankfurt her. Als Karla Schefter das neue Projekt bei der GIZ beantragt, hatte sie bereits einen Bauplan mit den notwendigen Räumen, Bauten und Kanälen gezeichnet. Ein afghanischer Architekt mit Büro in Wiesbaden bearbeitet den handgezeichneten Plan. Die GIZ genehmigt und finanziert den Antrag und beauftragt eine afghanische Partner NGO den Bau vor Ort zu begleiten.

Die Bauherren sucht Karla Schefter in Kabul und holt dort auch Kostenvoranschläge ein. Damals gibt es nur drei Bauherren zur Auswahl. Ausschliesslich erfahrene afghanische Bauherren sind in der Lage Fachkräfte wie Elektriker und Ingenieure in der Provinz Chak einzusetzen. Bis 2002 sind die Baufirmen besorgt und umsichtig Aufträge ordnungsgemäss auszuführen. Nach dem Sturz der Taliban 2001 kommt das Geld der internationalen Hilfsorganisationen nach Afghanistan und dementsprechend folgen die Angebote für Bauprojekte. Es gibt kaum noch Fachleute in der Baubranche und die Bauherren nehmen alle Projekte an, ohne zu bedenken ob sie den Auftrag ausführen können. Die ehemals bewährten Bauherren nehmen kleine Projekte nicht mehr ernst und schicken unqualifiziertes Personal zur Bauleitung nach Chak.

Die NGO 'Save the Children' kommt 1997 auf Karla Schefter zu und schlägt vor, in Chak ein Ausbildungszentrum für Frauen zu etablieren. Die Trainerinnen werden zunächst im Frauen und Kinder Krankenhaus untergebracht, wo auch tagsüber der Unterricht stattfindet. Das Krankenhaus stellt nach erfolgreichem Start zwei Gästehäuser zur Verfügung für die Lehrkräfte, ihre Kinder und Ehemänner: es ist Tradition und Notwendigkeit in Afghanistan die Kleinfamilie eines Mitarbeiters unterzubringen. Es entwickelt sich eine medizinische Ausbildungsanlage in Chak. Die Kinder toben um einen alten Maulbeerbaum herum unter väterlicher Aufsicht, während die Frauen im Unterricht sitzen und dörfliche Hebammen und Physiotherapeutinnen ausbilden. Frauen kommen mit ihren Familien aus ganz Afghanistan. Die männlichen Mitarbeiter des Chak-e-Wardak Krankenhaus rekrutieren Interessenten über ihre weibliche Verwandschaft aus den Dörfern. Unterricht findet regelmässig in Anatomie, Physiologie und Krankheitslehre statt. Karla Schefter gibt unterrichtet über chirurgisches Nahtmaterial, Instrumentenkunde, Hygiene, Disinfektion und Sterilisation. Es finden auch regelmässig Hebammenkurse statt sowie Mutter Kind Gesundheitskurse für die Gesundheitshelferinnen in den Dörfern im Radius von zwei Stunden Enfernung. Chak-e-Wardak organisiert ausserdem die Impfkampagnen für die Wardak Provinz.
Man bemüht sich Beziehungen und Austausch mit den Nachbarprovinzen Ghazni und Logar aufrecht zu erhalten: das Regierungskrankenhaus ICRC (Internationales Rotes Kreuz) in Ghazni und das Krankenhaus in Logar werden zu Partnerinstitutionen von Chak-e-Wardak Hospital. Logar und Ghazni liegen etwa fünf Stunden von Chak entfernt. Jeden Monat organisiert Chak-e-Wardak Krankenhaus Austauschprogramme und Seminare mit diesen Partner Krankenhäusern. Es gibt weder Schreibmaschine noch Kopiergeräte in der Provinz und der Therapeut mit der besten Handschrift schreibt die Einladungen auf Blaupapier zum kopieren und bringt die Einladungen persönlich nach Ghazni und Logar. Bis heute gibt es keine Post. Mittlerweile kommuniziert man über ein gut funktionierendes Mobilfunknetz, auch in der Provinz.


10. Mobilität and Sicherheit:
Reisen durch Afghanistan ist immer gefährlich und schwierig gewesen, da es keine richtige Infrastruktur gibt und ständig Krieg herrscht. Man fragt Ankommende, wie in der alten Karawanenzeit, ob und wo gekämpft wird. In den ersten Jahren fährt Karla Schefter in afghanischer Begleitung von Peshawar etwa sechs Stunden südlich zu dem Flüchtlingscamp in Sadda. Sie braucht dafür eine Sondergenehmigung, da Sadda im Stammesgebiet liegt. Zur Sicherheit ist es notwendig in Begleitung eines pakistanischen Polizisten zu reisen. Von Sadda fährt sie weiter über die Berge nach Nordwiristan, um die Grenze entlang des Khyberpass nach Afghanistan zu überqueren . An der Grenzstadt Thurcham verabschiedet sich der pakistanische Polizist. In Afghanistan fährt Karla Schefter weiter über Ghazni, Angurata, Sadran, Sormat, Bande Sarde nach Chak. Eine Tagesetappe dauert etwa 13 bis 15 Stunden Autofahrt und Karla Schefter ist mindestens zwei Tage und eine Nacht von Peshawar unterwegs bis sie in Chak ankommt.
Die Muschaheddin erorbern 1991 die Stadt Khost und seitdem geht die Fahrt nach Chak von Sadda auch über den historischen Übergang Terramangal.  Ein Jahr später wird eine Strasse gebaut, die über Gardez nach Logar und Chak führt. Karla Schefter ist mit Begleitung im Auto unterwegs und erlebt über viele Jahre die Provinzen in Pakistan und Afghanistan. Das ist schon lange nicht mehr möglich aufgrund der unberechenbaren Sicherheitslage: die Strassen sind heute zu unsicher und es werden auch keine Sondergenehmigungen mehr ausgestellt. Heute gehen die Reisen nach Afghanistan per Flug von Düsseldorf über Dubai nach Kabul.
Chak-e-Wardak Hospital Projekt hatte eine Niederlassung in Peshawar während der Talibanzeit, die 2002 endgültig nach Kabul verlegt wird. Die Fahrten von Kabul nach Chak sind nicht sicherer als die Fahrten von Peshawar nach Chak. Bombardierungen ruinieren Afghanistans Hauptstrassen so dass man nur mit Vorsicht 10km/h fahren kann: es dauert mindestens dreieinhalb Stunden um 65km zu fahren. Auf dem Weg meidet der Fahrer Brücken und folgt den vorfahrenden Autos, um nicht über eine verrutschte Mine zu fahren, die durch den Regen und Schneeschlamm verrutscht ist. Minen bieten eine grosse Gefahr für fahrende Autos in Afghanistan. Nach dem Sturz der Taliban, asphaltiert die Regierung die Strasse von Kabul nach Ghazni. Man schafft es in der Karzaizeit die Strecke von Kabul nach Chak in zwei Stunden zu fahren. Abzweigungen und Nebenstrassen bleiben unbefestigt und die Strassen sind mittlerweile von den vielen LKWs wieder völlig zerfurcht. Ständig werden LKWs mit Containern und Dieseltrucks durch ferngesteuerte Minen zur Explosion gebracht. Gelder für die Instandhaltung der Strassen und Infrastruktur gehen durch Korruption verloren. Ständige Angriffe der Taliban machen neue Vorhaben zum Asphaltieren und zur Befestigung der Strassen zunichte. Die Hauptstrasse von Kabul nach Ghazni ist seit 2002 die Nachschubstrasse der Nato und von strategischer Bedeutung für militärische Auseinandersetzungen zwischen Regierung und der Taliban.


11. Fazit
'Karla Schefter und das Komitee sind entschlossen, die langjährige erfolgreiche Arbeit fortzusetzen zum Wohle der notleidenden Menschen des von kriegerischen Auseinandersetzungen erschütterten Landes.'
Das Projektziel ist es, ein nachhaltiges humanitäres und gemeinnütziges Krankenhaus als Vorzeigeprojekt zu etablieren, für humanitäre und medizinische Entwicklungshilfe in Afghanistan und ausserdem lokale Arbeitskräfte medizinisch auszubilden und Kompetenzen für Frauen zu schaffen. Das Chak-e-Wardak Hospital Projekt verbessert seit Jahrzehnten die medizinische Versorgung für Frauen und Kinder in der Provinz in Afghanistan. Dadurch leistet das Projekt auch einen Beitrag zur Repatriierung afghanischer Flüchtlinge.
Karla Schefter nutzt ihren Deutschland Aufenthalt im Winter mit einer Vortragstour durch Deutschland und kümmert sich mit dem Vorstand des Komitees um die Spendenkampagnen. Das Chak-e-Wardak Projekt ist mit den Menschen aus Afghanistan und dem Komitee gemeinsam entwickelt worden, mit den gegenwärtigen Möglichkeiten in der Provinz von Afghanistan. Jeder Pfennig fliesst direkt in das Projekt. Chak-e-Wardak Projekt ist nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis ein beispielhaftes Vorzeigeprojekt für effektive und nachhaltige Entwicklungshilfe. Langfristig ist geplant, das Projekt in afghanische Hände zu übergeben.


Das Chak-e-Wardak Krankenhaus ist seit der Gründung 1989 eine unverzichtbare Einrichtung für die Gesundheitsversorgung in der Provinz. Das Krankenhaus zieht Patienten aus ganz Afghanistan an: Patienten aus Kabul und benachbarten Provinzen kommen nach Chak zur Behandlung. Es ist das einzig funktionierende Krankenhaus der Provinz Wardak.  Chak-e-Wardak Krankenhaus hat sich zum Zentrum der Ausbildung von Frauen in Heilberufen entwickelt und geniesst einen ausgezeichneten Ruf als eines der besten und gut funktionierenden Krankenhäuser des Landes. Es wird trotz der anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen ohne Einschränkung weitergearbeitet. Die Regierung von Afghanistan, internationale Hilfsorganisationen und die UN sprechen mit anerkennender Hochachtung über dieses Projekt. Aufgrund der ausgeübten strikten Neutralität gegenüber allen politischen und religiösen Parteien, ist das Chak-e-Wardak Krankenhaus eine Insel des Friedens.


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